Übersetzer und Autor Willi Zurbrüggen im Haus Martin, der Facheinrichtung für Wohnungslose. Eine Vorlesung aus seinem Erstlingswerk „Nordlich“. Begrüßung durch die erste Stadträtin Heike Seibert.privat
Im Haus St. Martin wurde er von Einrichtungsleiter Klaus Störch und der Ersten Stadträtin Heike Seibert willkommen geheißen. Zudem hatten sich an dem Abend rund 30 Interessierte in der Facheinrichtung für Wohnungslose eingefunden, unter ihnen auch der Stadtverordnetenvorsteher Georg Reuter.
Die Lesung fand im Rahmen des Jahresschwerpunkts "80 Jahre Kriegsende" des Projekts "Geist der Freiheit - Freiheit des Geistes" der KulturRegion FrankfurtRheinMain statt. Deshalb war es Störch und Seibert ein Anliegen, im Rahmen ihrer Begrüßung den Wert unserer Demokratie, die Wichtigkeit von deren Erhalt und die Bedeutung von Bemühungen für eine offene Gesellschaft zu unterstreichen.
Zurbrüggen rückt in seinem Roman "Nordlich" drei Familien und deren Schicksale in den Mittelpunkt. Der zentrale Handlungsort ist die kleine Stadt Nordlich in der Zeit zwischen 1916 und 1963. Drei Auszüge las der in Heidelberg lebende Autor vor: Beginnend mit einem für die Kleinstädter ungewöhnlichem Ereignis in den 60er
Jahren, einem "Stierkampf", dann folgte eine Passage aus den Kriegsjahren und zum Abschluss eine Hochzeitszeremonie Anfang der 50er Jahre. Schon während der Lesung gab es interessierte Nachfragen und Anmerkungen aus dem Publikum, was im Anschluss in einen spannenden Dialog mündete.
An dem Abend hatten sich rund 30 Interessierte in der Facheinrichtung für Wohnungslose eingefunden.privat
Zurbrüggen verriet, dass er während seiner übersetzerischen Tätigkeit schon lange den Wunsch hegte, ein eigenes Buch zu schreiben, das dann 2010 verlegt wurde. Er selbst ist 1949 in den Nachkriegsjahren zur Welt gekommen, doch hat er beim Schreiben seines Debütromans nicht nur harte Fakten recherchiert, sondern es dienten ihm auch persönliche Erzählungen seiner Verwandtschaft als Vorlage - auch der ein oder andere Onkel sei in Grundzügen in seinem Buch wiederzufinden. Bevor sich Zurbrüggen noch ausgiebig Zeit zum Signieren nahm, wurden auch vom Publikum die seelischen Kriegsfolgen thematisiert. Viele Menschen wurden durch Tod, Gewalterfahrungen und Vertreibung traumatisiert. Laut Untersuchungen wurden diese Traumata oft nicht aufgearbeitet, sondern weitervererbt und belasten nachfolgende Generationen bis heute.
Zurbrüggen, dem der intensive Austausch mit den Anwesenden sichtlich gefiel, versprach im Anschluss, sollte es eine erneute Einladung geben, gerne wiederzukommen. Dass der 76-jährige Übersetzer noch nicht ans Aufhören denkt, zeigt sich außerdem daran, dass er den im Februar dieses Jahres in Deutschland erschienen Roman "Der Junge" von Fernando Aramburu aus dem Spanischen übersetzt hat.